Bleistiftzeichnungen nach Musik

Die Zeichnungen haben als Lockerungsübung und Gegenentwurf zum fotografischen Arbeitsprozess begonnen: ein weißes Blatt, Bleistifte, ein längeres Musikstück und die vage Idee, das Blatt mit Linien zu füllen. Die ersten Zeichnungen 2003 bis 2004 waren ein mehr oder minder gleichmäßig dichtes Geflecht von Linien, das sich über das gesamte Blatt zog. Hauptsächlich aus den Bewegungen des Körpers entstanden und wenig durch die Augen kontrolliert, waren sie manchmal so dicht, dass nur noch eine spiegelnde Graphitfläche zu sehen war.

Die späteren Arbeiten sind kontrollierter entstanden und lassen Strukturen erkennen, die manchmal auch gegenständliche Assoziationen wecken; der Arbeitsprozess hat sich aber wenig geändert: in der Anfangsphase der Zeichnung weitgehend spontan dem Gestus der Musik folgend, entsteht ein sich langsam verdichtendes Liniengeflecht. Je komplexer es wird, desto reflektierter und geplanter müssen sich die neu hinzukommenden Linien in das vorhandene Netz einfügen, auf vorhandene Strukturen Rücksicht nehmen oder diese durchkreuzen, wenn sie der weiteren Entwicklung der Zeichnung im Wege stehen.

Die großen Zeichnungen erfordern viele verschiedene Musikstücke, die so gewählt werden, dass sie neue Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen. Der Zeichenstil lehnt sich an die Musik an: schnell oder langsam, heftiger Ausbruch oder präzise Komposition. Die Musik hilft Redundanzen zu vermeiden und bringt neue Ideen in das Werk ein. Die fertige Zeichnung ist aber keine Visualisierung von Musik, sondern ein eigenständiges Werk, das seinen eigenen Regeln unterworfen ist. Auf dem Weg hin zu dem Ziel, ein möglichst komplexes und vielschichtiges Gebilde zu erzeugen, wird irgendwann der Punkt erreicht, wo durch neue Striche so viel Frische verlorengeht, dass der Zugewinn an Komplexität diesen Verlust nicht aufwiegt. Diesen Punkt gilt es zu erkennen, denn dann ist die Zeichnung fertig.

Darüber hinaus gibt es immer wieder selbst auferlegte Handlungsgrenzen, Bedingungen, Setzungen. Eine solche ist es z.B., zum Zeichnen nur Zeichen der lateinischen Schrift zu verwenden, Großbuchstaben, die aus den einfachsten Grundformen bestehen: Senkrechte, Waagrechte, steigende Diagonale, fallende Diagonale, Kreis und Kreissegment. Weiter einschränkend, müssen diese Zeichen in der Reihenfolge des zum Zeichnen verwendeten Musiktitels aufgebracht werden. So erklären sich die Titel der Zeichnungen wie: "PROCESS AND REALITY" oder "DIES BILDNIS IST BEZAUBERND SCHOEN".

Zeichenperformance zur Aktion "Wo bleibt das Schöne?" 24.4.2007



Gerhard Schlötzer Video
Ausstellung Drawing Unplugged, Zeichnung Gerhard Schlötzer, Musik Alexander Schräpler
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